Chor
Die Vampyrlady Tamara Yagelowsk
sah nicht immer so scheiße aus.
Die Herrlichkeit ihrer Erscheinung ward einst weit über die Grenzen ihres Reiches gerühmt. Wie saftige Hügel waren ihre Brüste. Wie Seide war ihr schwarzes Haar.
Fruchtbar war ihr Schoß.
Die Vampyrlady Tamara Yagelowsk liegt bequem auf einer Ottomane in ihrem Zwischenreich und lackiert sich die Fingernägel. Bloß für wen?
Zwar ist ihr Zwischenreich mit allem Komfort ausgestattet, aber was ihr fehlt ist ein Mann. Auch ein Vampir dürstet nach Liebe. Und deshalb trachtet sie nach Mitteln und Wegen, wie sie sich in unserer schönsten aller Welten materialisieren kann. Denn wohlgemerkt: bei allem Komfort und Luxus hat ihr Zwischenreich nun mal den Nachteil, dass es immateriell ist.
Ja, Tamara Yagelowsk will zurückkehren auf die Erde um sich mit einem strahlenden Helden zu paaren, Kinder zu bekommen und sie aufzufressen. Mit anderen Worten: sie will die Jahre des Glücks wiederhaben, als sie noch eine große Königin war an der Seite des Königs Siegfried, der sie über alles liebte und dessen Kinder sie auffressen konnte. Bis zu dem Tag als er hinter ihr Geheimnis kam. Ihr Name damals war Athanagilda.
Wie gerne würde sie den Neid anderer Frauen auf ihre Liebe genießen. Sie weiß auch schon, wer der Mann ist, der ihre Liebe verdient. Noch weiß er nicht, dass er der Auserwählte ist, ist er doch (-noch-) kein strahlender Held. Schwermut schwebt wie eine dunkle Wolke über seinem Haupt. Und vor allen Dingen ist er ein sehr hübscher, feinnerviger junger Mann, im dritten Semester Student an der großherzoglichen Akademie der Bildenden Künste.
Leider verhält es sich aber so, auf Grund von Umständen, auf die wir an dieser Stelle nicht weiter eingehen können, dass Tamara sich erstens nur für kurze Zeit auf Erden materialisieren kann und zum Zweiten kann sie sich nur als Kakerlakenschwarm oder als Schleimzunge materialisieren. Als drittes kommt hinzu, dass sie sich ausschließlich in der Zeitebene materialisieren kann, die gemeinhin Gegenwart genannt wird. Der besagte junge Mann hält sich aber in einer andern Zeitzone auf. Und für dieses Problem hat sie noch keine Lösung. Tamara hatte schon einmal die Tollheit begangen, sich ihm zu nähern, als er ein Knäblein war und es war ihr sehr übel bekommen.