10 -ALFIES RANCH

Was bisher geschah: The Rock ist gelandet. 

Glutrot versinkt die Sonne hinter den Pfälzer Bergen und taucht Alfies Gehöft in mildgelbes herbstliches Abendlicht. Nebel steigt aus dem Tal, und THE ROCK stapft festen Schrittes zu seinem Anhänger, in dem er bereits reichlich Technik gehortet hat. Er kramt einen Serverschrank hervor und reißt mit bloßer Faust gefühlt einen Kilometer Kabel heraus. Hernach setzt er sich auf die Ladefläche. Die Beine baumelnd, verbindet er die Kabel fingerfertig zu einer hübschen Makraméarbeit und fügt dann noch irgendwelche Technikbauteile in das Teil ein nach einem Muster, das nur ihm bekannt ist. Im Haus warten derweil die Amis auf den Fortgang der Geschichte genauso wie ihre Kollegen aus der Pfalz. Liegt ein bisschen eine Spannung in der Luft seit dem Meinungsaustausch zwischen Alfie und THE ROCK, und bevor sich die Dinge von selbst klären, ziehen es die Pfälzer Kollegen vor, noch die Interviews zu gucken vom Formel 1-Training und die Zeitlupen, und dann endlich geht die Tür auf und THE ROCKkommt rein.

Aus Versehen hat sich genau in diesem Moment Alfie auf die Fernbedienung gesetzt, was den interessanten Effekt hat, dass knisternde Stille einsetzt. THE ROCK jedenfalls hat die volle Aufmerksamkeit und rollt auf dem Küchentisch einen Plan aus, über den sich im matten Schein der Küchenlampe die kantigen Gesichter der Angels beugen. Sieht aus wie in alten Filmen die Generalsstabsbesprechung bei der Luftschlacht um England. Tatsächlich schiebt THE ROCK mit so einer Art Mini-Rechen ein paar Sachen auf dem Plan hin und her, und es dauert keine 10 Minuten, bis auch der letzte von den Pfälzer Angels am Tisch steht, um ja kein Wort von ihrem neuen GENERAL zu versäumen.

Tja. So sieht´s aus, und dem Alfie bleibt nichts anderes übrig, als möglichst mucksmäuschenstill auf seiner Couch rumzuhängen, Trübsal zu blasen und ein bisschen über die Vergänglichkeit aller Dinge zu meditieren. Hätte er auch nicht gedacht heute früh, dass seine eigenen Jungs ihn schmählich im Stich lassen, wenn es mal dumm läuft.

Wie er so dasitzt, kommt nach ‘ner Weile auf leisen Sohlen die Evelyne und setzt sich zu Alfie auf die Couch. Was man so und so sehen kann. Der Alfie jedenfalls zieht es vor, keine vorschnellen Schlüsse aus ihre Aktion zu ziehen, und lässt sich nichts anmerken. Dann tut sich erst mal weiter nichts, bis die Evelyne plötzlich zu ihm rüberrückt und ihn in die Seite knufft mit einem Blick, der so ungefähr zum Ausdruck bringen will, dass man die Dinge ja auch von einer anderen Seite betrachten kann. Sie nickt so in Richtung Tisch, und dann denkt sich der Alfie: Leckt mich doch alle! und steht auf und schlendert erst mal ganz cool zum Kühlschrank, versorgt sich mit Dieselkraftstoff und stellt sich mal einfach so zum Tisch, rein interessehalber, um sich die Sache aus der Nähe zu betrachten.

„Ah Alfie!“, begrüßt ihn THE ROCK, „gut, dass Du kommst. Auf Dich wartet eine ganz wichtige Aufgabe…!“

Also im Großen und Ganzen geht es darum, dass die Aktion nur gelingen kann, wenn die Sonne strahlend hellgelb (pantone 101 C) an einem hellblauen (pantone 3545) Himmel steht, und, ganz wichtig!, es müssen weiße (CAS-Nummer 1319-46-6) Kumuluswolken über den Himmel ziehen. Nicht zu schnell, aber auch nicht zu langsam. So ganz gemächlich müssen sie dahinziehen wie eine Herde schneeweißer Schäfchen. Das Licht muss so ungefähr sein wie bei dem Supermanfilm, wo es darum geht, die Welt zu retten, aber nicht so dramatisch. Das ist die Voraussetzung, damit man überhaupt ‘ne Chance hat, dass die Aktion gelingt.

Die Makraméarbeit, an der er den ganzen Tag gebastelt hat, braucht THE ROCK dazu, um sie mit allen High-Voltage-Anschlüssen des Gehöftes zu verbinden. Das ist die Basis. Soweit so gut, aber eben das Licht, das muss stimmen. Und wenn man ein halbes Jahr oder noch länger drauf warten muss, das Licht muss stimmen.

Aber was soll ich sagen, am nächsten Morgen um elf ist genau die richtige Lichtstimmung. Und schon stehen die Angels mit brüllenden Motoren in Formation. Und dann passiert etwas, das nach menschlichem Ermessen und nach den Gesetzen der Schwerkraft nie und nimmer passieren kann, nämlich dass die Gesetze der Schwerkraft außer Kraft gesetzt werden. Und das kann nur dann geschehen, wenn absolut alle Angels voll konzentriert sind, alles spitzenmäßig geplant und ausgeführt wird und ein Rädchen ins andere greift. Und so passiert es. Unter ohrenbetäubendem Lärm formieren die Angels eine Stairway To Heaven.

Als letzter kommt Alfie. Mit dem gefährlichsten Stunt, weil er ja ganz oben das letzte Glied auf der Stairway ist. Und das ist der Moment, wo die Sonne weißgelb vom hellblauen Himmel strahlt, und dann verstummen die brüllenden Maschinen mit einem Schlag und die Angels werden nur noch durch ihre Spürkraft in der Luft gehalten, ein filigranes Leiterwerk aus schweren Maschinen und schweren Jungs.

Stairway to Zwischenreich

Jetzt ist es soweit, THE ROCK steigt gemächlich die Stufen hinauf bis zum Himmel. Und bevor er hinter den weißen Wolken verschwindet, dreht er sich noch einmal um und winkt uns armen, andächtig ergriffenen Erdlingen einen letzten Gruß zu.

Ein Beben im Herzen aller ist spürbar, als sich leise und geschmeidig die einzelnen Teile der Himmelsleiter auflösen. Erst als der letzte Angel wieder festen Asphalt unter den Füßen hat, bricht ein Jubel los, den die Welt noch nicht vernommen hat, und die Brothers liegen sich voller Freude und Dankbarkeit in den Armen.

Liberté, Egalité und vor allem Fraternité waren notwendig, um dieses Wunder Realität werden zu lassen, echte, gelebte demo–
c r a z y war die Losung.

Die Evelyne hat echt schön Bilder geschossen von der Aktion, und nun ist es Zeit, den Brothers Good-Bye zu sagen. Ganz herzlich wird sie von jedem Einzelnen verabschiedet mit Küsschen rechts, Küsschen links, „take care, honey“ und was weiß ich noch allem, bis die Zeremonie durch ist und die Evelyne in Richtung Bobbethal marschiert.

Und danach fahren die Brothers zum Baggersee und stürzen sich unter Hurra in die mittlerweile arschkalten Fluten.

Was bisher geschah: Die Demo c r a z y : Sie lebe hoch!